... oder so ähnlich. Nach dem Motto: Es läuft doch gerade ganz gut! Lasst uns mal den Laden kräftig aufmischen und möglichst viele Leute vor den Kopf stoßen, legt WordPress Autokrat Matt Mullenweg kräftig vor. WordPress muss sich weiterentwickeln. Und zwar ruck-zuck mit möglichst viel Getöse und Kollateralschäden in der komplexen WordPress Plugin- und Theme-Ökonomie, die sich rund um das Blog-System in den letzten Jahren etabliert hat.
Keine Ahnung, ob es da irgend einen wirklich rationalen oder geschäftlichen Grund gibt. Gutenberg ist keine Lösung für fehlende Funktionalitäten im WordPress Konzept. Eventuell hat sich Mullenweg auch nur mal wieder selber eine neue Herausforderung gestellt, die es zu gewinnen gilt.
Man kommt halt manchmal mit normalen Maßstäben nicht weiter, wenn es darum geht das Handeln dieser super-beschleunigten-hyper-produktiven-Licht-und-Führungsgestalten der Nerd/Tech-Szene zu ergründen. Zuviel Bio-Hacking ist eben auf Dauer nicht gesund. Sieht man auch bei Elon Musk.
Aber ich schweife ab.
Ein neuer und besserer Editor? Klasse, ist ja längst überfällig und sollte auch kein Problem darstellen, oder?
Der Editor ist in diesem Falle aber leider mehr als nur ein Texteingabefeld mit einigen Knöpfen drumherum. Hier geht es um grundlegende Bedienkonzepte und die Integration von Drittanbieter Erweiterungen.
Da wir in letzter Zeit immer mehr WordPress Seiten für Kunden erstellen, häufen sich mittlerweile auch die Anfragen, ob und wie der neue WordPress Editor Gutenberg die Arbeitsabläufe bei den Kunden verändern wird. Ja wir haben Kunden, die mitdenken und auch meistens irgendwie in die Abläufe eingebunden sind.
Häufig bauen wir eine Website auf, die dann später vom Kunden weiter mit Inhalten befüllt wird. Das können neue Produkte im Shop, "Über-Uns" Seiten, Leistungsbeschreibungen oder neue Artikel im Blog sein.
Dafür erstellen wir den Kunden normalerweise bestimmte Vorlagen, damit eine gleichbleibende Layout-Struktur gewährleistet ist.
Bei WordPress greift man da zweckmäßigerweise zu sogenannten Pagebuildern, mit denen sich ohne viel Aufwand ein sehr ansehnliches Layout erstellen lässt.
Wir verwenden dafür vorzugsweise Elementor und alternativ den Beaver-Builder. Beide lassen sich Theme übergreifend verwenden und bieten auch wieder einen Weg zurück zum normalen Editor.
Exkurs: Dieser Rückweg wird einem mit den zahlreichen Pagebuildern aus dem Envato/Themeforest Universum - dort bringt ja mittlerweile jedes zweite Theme seinen eigenen "revolutionären" Pagebuilder mit, der Rest setzt auf den Visual Composer - verwehrt. Falls man da mal wechseln möchte oder ohne Pagebuilder weitermachen will, kann man seine komplette Webpräsenz neu layouten, da diese Lösungen ein riesiges Chaos an Shortcodes im Content hinterlassen und die Inhalte so nicht mehr konsumiert werden können.
Pagebuilder und viele weitere Plugins (als Beispiele SEO-Plugins, Advanced Custom Fields usw.) nutzen die Metaboxen unter und neben dem herkömmlichen WordPress Editor um ihre Funktionen zur Verfügung zu stellen.
Diese Plugins werden von Millionen von WordPress Nutzern eingesetzt. Sie alle funktionieren - Stand heute - mit dem neuen Gutenberg Editor nicht mehr.
Da kann man schon mal ans Nachdenken kommen.
Darüber, dass WordPress eine Blog Engine und kein vollwertiges CMS ist, über den Sinn und die Gefahren des Einsatzes von Drittanbieter Erweiterungen (hier: Pagebuilder) bei so etwas essentiellem wie der Contenterstellung, schreibe ich heute nicht.
Darum geht es zwar teilweise auch beim Thema "Gutenberg Editor", ich will mich aber heute nicht in diese Abgründe begeben.
Nur soviel zur aktuellen Situation rund um Gutenberg:
Viele Features fehlen, der ausgegebene Quellcode ist grottig - das ganze Konzept ist zur Zeit eher so etwas wie eine Demo oder Studie. Es lohnt sich für den Endanwender noch nicht, sich damit zu beschäftigen.
Dafür ist eine Pluginlösung im Gespräch. Dieses Plugin kommt zwar, wie Gutenberg auch, von Automattic, man befindet sich also wieder in einer Abhängigkeit. Das Plugin wird vermutlich eher früher als später nicht mehr weiterentwickelt oder zurückgezogen werden. Die wollen uns ja schließlich mit dem neuen Editor das Leben "erleichtern". Also zwangs-erleichtern.
Damit gewinnt man aber auf jeden Fall eine gewisse Zeit, um sich mit den erforderlichen Änderungen auseinanderzusetzen.
Weiß ich auch nicht. Sucht bei Google nach WordPress Gutenberg und ihr findet die ganzen Ankündigungen, Lobeshymnen und viel wichtiger, die Artikel, die sich kritisch mit dem Thema beschäftigen. Da sind auch einige sehr konstruktive dabei.
Jetzt noch mal kurz die Brücke zu den Pagebuildern von oben.
Benutzer setzen diese Art von Erweiterungen ein, um das Blog-System WordPress überhaupt erst vernünftig als vollwertiges CMS nutzen zu können.
Gutenberg wird aber nicht (nie) an den Funktionsumfang eines guten Pagebuilders herankommen. Das wurde vom Entwickler-Team deutlich gemacht.
So etwas wie eine Live-Vorschau oder ein Frontend-Editing wird es nicht geben. Genau das ist aber einer der Riesenvorteile der gängigen Pagebuilder Plugins.
Was macht ein Benutzer, egal wie geübt oder ungeübt in einem Pagebuilder als erstes?
Richtig, er legt eine neue Zeile/Reihe/Abteilung (Column) an, in der man Inhalte nebeneinander! anordnen kann. Schaut euren Nutzern/Kunden über die Schulter.
Untereinander kann jeder.
Auch Gutenberg. Leider. Nur.
Horizontal ausgerichtet layouten? Fehlanzeige. Ok, die übliche Tabelle im Contentbereich geht natürlich. Aber über diese Option brauchen wir nicht weiter reden.
Siehe Screencast weiter unten.
Ja, ich weiß... Nebeneinander und mobil passt nicht wirklich. Die meisten Webprojekte haben aber noch über 60% Desktop Besucher. Und das wird sich je nach Branche auch nur langsam ändern.
Es geht weiter:
Das ist alles ziemlich unfertig, überhastet und an der Realität und mindestens an den Bedürfnissen von Freelancern und Agenturen vorbei entwickelt. Und die haben WordPress ja erst richtig populär gemacht.
Vom Handling her macht Gutenberg Spaß. Keine Frage.
Das, was an Optionen vorhanden ist, lässt sich gut bedienen. Flutscht besser als der Standard Editor.
Das gleiche gilt auch für den Rest von WordPress. WordPress macht Spaß. Noch.
Vielleicht ist es aber auch mal an der Zeit für einen großen Fork?
Mahlzeit.